Altersdiskriminierung

Altersdiskriminierung sollte sowohl für jung und alt nicht benutzt werden
Altersdiskriminierung, ganz gleich ob jung oder alt, muss unterbleiben (©eigenes Archiv)

Diskriminierung im Alter … ist inakzeptabel und verachtend

Bei der Lektüre des aktuellen Senioren Ratgebers (11/23) der Apotheken Umschau stieß ich auf Seite 48 auf das Interview mit der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung und Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Frau Ferda Ataman. In ihrer Antwort auf die Frage „Haben Sie schon mal jemanden wegen seines Alters diskriminiert“ deutet sie an, dass sie unbewusst Vorurteile über das Älterwerden hatte, da sie vermeintliche Komplimente wie „Ihr Alter sieht man Ihnen gar nicht an“ oder „Für Ihr Alter sind Sie aber noch ganz schön aktiv“ gemacht hat.

Nachdem ich das ganze Interview gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass ich von meinem Kardiologen (51 Jahre alt) wegen meines Alters (Jahrgang 1952) diskriminiert worden war.

Abweisung

Als Patient mit einem wissenschaftlich begründeten Fettstoffwechsel-Problem (Apo-E-Genotypisierung E3/E2), der bei der Einnahme von Statin starke Nebenwirkungen aufzeigt, wurde mir seitens meines Internisten empfohlen, dass ich mir von meinem Kardiologen einen PCSK9-Hemmer verschreiben lassen soll, da dieser dazu ermächtigt sei.

Ich nahm daraufhin mit meinem Kardiologen, der mich aufgrund meines Herzschrittmachers (AV-Block II) bereits seit über zwölf Jahren als Patient betreut, Kontakt per FAX auf und bat ihn um eine entsprechende Verordnung.

Dieser rief mich noch am gleichen Tag (28. November 2022) an und meinte, dass er mir diese Verordnung nicht ausstellen könne. Wäre ich „jung und dynamisch“, dann hätte er kein Problem, mir eine solche Verordnung auszustellen, da ich aber schon älter sei, könne er das Budget nicht mehr der Krankenkasse und seinen Praxiskollegen gegenüber verantworten. Ich solle mich doch mit der Lipid-Sprechstunde der Unikliniken Köln kurzschließen (die hätten ein unbegrenztes Budget), damit man mir dort weiterhelfen würde.

Oder aber ich sollte mit der Stoffwechselambulanz reden, ob Sie eventuell auch keine Verordnungsbeschränkungen in Bezug auf PCSK9-Hemmer haben würden. Sollte das alles nicht zum Ziel führen, dann würde er mich bei meinem Antrag auf Kostenübernahme gegenüber der Krankenkasse unterstützen (wie gnädig von ihm).

Hilfe in der Stoffwechselambulanz

Da ich bereits seit mehreren Jahren Patient der Stoffwechselambulanz im St. Vincenz-Krankenhaus bin, schien mir diese die richtige Anlaufstelle zu sein. Nach einem ausführlichen Telefonat schickte ich alle bisherigen Befunde per E-Mail an die Ärzte dieser Abteilung und schilderte dabei meine Odyssee in Bezug auf die Verordnung des PCSK9-Hemmers.

Bei dem nachfolgenden Arzttermin wurden alle Laborbefunde nochmals besprochen und eine Therapie mit zwei weiteren Medikamenten (Statine) eingeleitet. Darüber wolle man verbindlich klären, ob ich auch damit keine Besserung meines Zustands erreichen könne.

In der Stoffwechselambulanz wurde zweifelsfrei festgestellt, dass man einen Versuch zur Normalisierung meiner Cholesterinwerte mit einem PCSK9-Hemmer unternehmen werde. Die behandelnde Ärztin erwähnte mit keinem Wort die damit verbundenen Kosten, sondern begründete die Verordnung einzig und allein mit dem gesundheitlichen Erfolg der Behandlung, der nach deren Beginn nachzuweisen sei.

Positive Ergebnisse

Nachdem ich die ersten drei Spritzen injiziert hatte, wurden meine Blutwerte neu bestimmt. Das Ergebnis war beeindruckend, denn alle Werte hatten sich sehr positiv verändert: Die Werte von LHL, HDL und Cholesterin waren als normal zu bezeichnen.

Frühjahr 2023
Herbst 2023

Mit diesem Ergebnis lebe ich nunmehr seit fast neun Monaten und verabreiche mir monatlich jeweils eine Spritze des PCSK9-Hemmers. Ich fühle mich gesund und wieder aktiv – ohne den zuvor wahrgenommenen Nebenwirkungen aufgrund der Einnahme von Statinen.

Kontakt zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Bei der in der Einleitung erwähnten Lektüre des Interviews wurde mir bewusst, dass ich von meinem Kardiologen eine eindeutige Altersdiskriminierung erfahren hatte.

Mein Versuch, dieses an die zuständige Stelle zu melden, schlug allerdings fehl, da man eine solche Meldung nur innerhalb von zwei Monaten machen kann. Wenn man aber, so wie bei mir, erst nach rund zwölf Monaten von einer solchen Möglichkeit zur Meldung von Diskrimierungsfällen erfährt, stellt sich für mich die Frage: „Was können wir Betroffene denn noch unternehmen, damit solche Äußerungen – und damit ein klarer Diskriminierungsfall – doch noch verfolgt und geahndet‘ werden?“

Als älterer, gebildeter Mensch muss ich darauf bestehen, dass alle Menschen – ungeachtet ihres Alters – gleiche Chancen und Behandlungsmöglichkeiten erfahren und erhalten sollten. Es sollte weder nach dem Einkommen noch nach dem Alter entschieden werden, mit welchen Medikamenten und Hilfsmitteln man versorgt wird. Es gibt zwar weiterhin die sogenannte Zwei-Klassen-Medizin (privat oder Kasse), allerdings sollte nicht nach der Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit sowie dem Alter eine Benachteiligung erfolgen. Und hier muss seitens der Antidiskriminierungsstelle unterschieden werden, dass nicht bereits nach zwei Monaten die Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen wird.

Ich hatte meine Eingabe an die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung und Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gerichtet und erhielt eine Antwort, die mir verdeutlichte, dass man meine Eingabe inhaltlich noch gar nicht gelesen und bewertet hatte.

Vielen Dank für Ihre Anfrage an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Aufgrund des außergewöhnlich hohen Beratungsaufkommens ist leider derzeit mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen.

Kennen Sie schon unseren Diskriminierungs-Check? Wenn Sie diskriminiert werden, kommen Sie dort in vier einfachen Schritten schnell zu allen wichtigen Informationen. Dort finden Sie auch Formulierungshilfen, damit Sie rechtliche Ansprüche rechtzeitig und in der richtigen Form geltend machen können. 

Besuchen Sie uns dazu im Internet auf: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/diskriminierungs-check

Bitte beachten Sie, dass Sie Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend machen müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Beratungs-Team der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Servicebüro der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
50964 Köln

E-Mail vom 30.10.23

Zwar habe ich für mich eine Lösung gefunden, deren Ergebnisse auch als sehr positiv zu bezeichnen sind, aber ich möchte meinen Fall als Paradebeispiel dafür nutzen, dass man mit uns Menschen so nicht umgehen darf. Ich möchte keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung geltend machen. Dem Facharzt sollte nur bewusst gemacht werden, dass solche Äußerungen menschenverachtend und respektlos sind. Wir Alten haben dieses Land mit aufgebaut und dazu beigetragen, dass die nachfolgenden Generationen eine Basis für ihr Leben haben. Was jeder daraus macht, ist … Auch ein Arzt wird irgendwann ein Alter erreichen, in dem er respektvoll behandelt werden möchte und keine solche Äußerung wie „Wenn Sie jung und dynamisch wären, dann …“ erfahren möchte.

Was ich zudem mit Kardiologen bereits erlebt habe, schilderte ich bereits in diesem Blog-Beitrag.

Ich erlaube mir, diesen Sachverhalt auch der Bundesärztekammer sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zur Kenntnis zu geben. Über alle Antworten werde ich nachfolgend berichten.

Letztes Update 19.12.23

Niemand will es wirklich glauben, aber die Bundesärztekammer als auch die Ärztekammer Nordrhein interessieren sich nicht für meine Hinweise. Ich solle das Thema mit meinem Arzt direkt besprechen und regeln. Nein, das werde ich nicht machen, sondern ich wechsle den Kardiologen.

Gestern erhielt ich nun die Antwort der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, das ich nachfolgend zur allgemeinen Information einfüge. Sicherlich sind einige Hinweise und Antworten auch für andere Leser hilfreich.

Sehr geehrter Herr Wagner,
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mails an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes  vom 29. und 31. Oktober 2023.
Wir bitten die verlängerte Bearbeitungsdauer aufgrund eines stark erhöhten Beratungsaufkommens zu entschuldigen.
Sie berichten von einem Vorfall im Rahmen einer ärztlichen Behandlung durch Ihren Kardiologen.
Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist es, betroffene Bürger*innen zu ihren Handlungsmöglichkeiten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beraten und informieren. Die Beratung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen, sondern ist vor allem dafür gedacht, eine erste rechtliche Einschätzung zu ermöglichen.
Wir haben keine Aufsichtsfunktion oder sonstige Sanktionsbefugnis gegenüber Ärzt*innen. Eine von Ihnen gewünschte Abmahnung können wir daher nicht aussprechen. Eine Einschätzung, ob eine Diskriminierung vorliegt, beurteilen wir anhand des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Nicht immer entspricht das allgemeine Verständnis von Diskriminierung und Benachteiligung dem rechtlichen Begriff des AGG. Auf Grund unseres gesetzlichen Auftrags können wir Ihren Fall nur rechtlich bewerten.
Vor diesem Hintergrund hat Frau Ataman uns gebeten, den von Ihnen geschilderten Sachverhalt zu prüfen. Gern geben wir Ihnen entsprechend einige Hinweise:
Das AGG verbietet Benachteiligungen aus rassistischen Gründen, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Erwerbsleben und bei bestimmten privaten Rechtsgeschäften.
Altersbedingte Benachteiligungen sind außerhalb des Erwerbslebens nur im Rahmen sog. Massengeschäfte bzw. massengeschäftsähnlicher Schuldverhältnisse geschützt, vergleiche § 19 Absatz 1 Nr. 1 AGG. Es ist rechtlich nicht abschließend geklärt, ob ein ärztlicher Behandlungsvertrag ein solches Geschäft darstellt. Aus unserer Sicht sprechen viele Argumente dafür, ein Gericht könnte jedoch anders entscheiden. Eine vertiefte Auseinandersetzung zu dieser Frage finden Sie bei Interesse hier: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Standpunkte/01_Behandlungsvertraege.html.
Nimmt man die Anwendbarkeit des AGGs an, ist darüber hinaus zu beachten, dass das AGG nicht jedes unangemessene Verhalten als Benachteiligung erfasst, vergleiche § 3 AGG.  
Einerseits können Ungleichbehandlungen im Einzelfall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und damit zulässig sein, vergleiche § 20 AGG. Eine Bewertung fällt gerade im Rahmen medizinischer Behandlungsverträge schwer, da Ärzt*innen ein Ermessensspielraum in den Grenzen der ärztlichen Kunst eingeräumt ist. Zudem sind Ärzt*innen bis zu einem gewissen Grad an Vorgaben der Krankenkassen gebunden. Ob daher tatsächlich eine Falschbehandlung bspw. wegen des Alters erfolgt ist, ist ohne medizinischen/medizinrechtlichen Sachverstand kaum zu beantworten.
Zudem bleiben insbesondere unangemessene Kommentare im rechtlichen Sinne oft unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des AGGs. So kann zwar auch eine sog. Belästigung eine Benachteiligung im Sinne des AGGs darstellen, vergleiche § 3 Absatz 4 AGG. Dafür bedarf es allerdings grundsätzlich einer gewissen Dauerhaftigkeit und Systematik der Anfeindungen.
Zuletzt sieht auch das AGG sehr kurze Fristen vor, gegen Benachteiligungen vorzugehen. So müssen Betroffene etwaige Ansprüche innerhalb von zwei Monaten schriftlich gegenüber dem*der jeweiligen Vertragspartner*in (hier dem Arzt) geltend machen, vergleiche § 21 Absatz 5 AGG. Die Frist beginnt grundsätzlich mit dem benachteiligenden Ereignis.
Sie sehen, dass ein Vorgehen auf Grundlage des AGGs mit einigen Unsicherheiten verbunden wäre und nicht unbedingt Erfolg verspricht. Möchten Sie eine Überprüfung der Behandlung aus berufsrechtlicher Perspektive vornehmen, müssten Sie sich fachanwaltlich beraten lassen.
Trotz eingeschränkter Unterstützungsmöglichkeiten unsererseits hoffen wir, dass wir Ihnen mit diesen Informationen dennoch behilflich sein konnten und wünschen Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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Referat ADS-3 (Beratung und Rechtsfragen)
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Telefonnummer: +49 800 546 546 5
E-Mail: beratung@ads.bund.de Internet: <a href=“http://www.antidiskriminierungsstelle.de

E-Mail vom 18.12.23

Fazit

Entschieden ist für mich, dass ich diese Angelegenheit nicht weiter verfolgen werde, da die Zeit, in der ich etwas hätte unternehmen können, bereits verstrichen ist. Zudem musste ich erkennen, dass eine Beweisführung in Sachen Diskriminierung fast unmöglich ist. Somit muss sich jeder Senior selber schützen.

3 Gedanken zu “Altersdiskriminierung

  1. Oh, das ist übel. Und wisselschaftlich ja offensichtlich nicht begründet. Ich erhielt gestern eine Grippeimpfung für unter 60jährige. Da scheint es entsprechend Wirkstoffeinschätzungen zu geben für Altersstufen, die medizinisch evaluiert sind. Aber etwas vorenthalten wegen möglicher Budgetüberschreitung… Ein Skandal. Das Gesundheitswesen ist an so vielen Stellen kaputt… Wer sich nicht durchsetzen kann und will, hat eine geringere Lebenserwartung oder höhere Chronifizierungsgefahr… Bin gespannt, wie das weiter geht.

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    1. Nach der aktuellen Influenza-Impfung war ich sechs Tage wirklich krank. Als ich dann wieder genesen war, erhielt ich die Corona-Schutzimpfung, die mir auch Probleme bereitete. Die Frage, die ich mir zunehmend stelle lautet: Muss ich mich der Gefahr einer möglichen Infektion aussetzen, oder sollte ich lieber abwarten? Da sich das Gesundheitssystem bereits am Limit befindet, denke ich, dass jeder für sich das Risiko abwägen sollte, damit man nicht ins Krankenhaus muss und dort Plätze belegt, die für die Notfallversorgung gedacht sind.
      Nach meinem Empfinden rufen viel zu viele Menschen die Notdienste an, obwohl Bagatellen auch anders versorgt werden könnten. Ein Schnupfen ist kein Notfall – schon gar nicht bei einem Kind. Wie stark waren wir doch als Kinder, denn unsere Nasen liefen und wir mussten trotzdem mit dem Fahrrad in Wind und Wetter zur Schule radeln. Elterntaxis gab es nicht, denn nur der Vater durfte das Auto nutzen, um seinem Broterwerb nachzugehen.
      Unsere Gesellschaft ist so verweichlicht, dass ich mich übergeben muss.

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